Sommerfest - 125 Jahre SPD Neckarsulm

Veröffentlicht am 23.05.2023 in Ortsverein

Die SPD feiert Geburtstag - 125 Jahre Ortsverein Neckarsulm

am 23.07.2023 11 bis 17 Uhr lädt die SPD Neckarsulm zu einem Sommerfest am Schweinshag ein.

Man darf sich freuen auf:

  • Livemusik
  • Kinderschminken
  • Gegrilltes, Getränke ab Nachmittag Kaffee und Kuchen zu familienfreudlichen Preisen.

zusammengestellt von Dieter Herlan

Die Gründung Eine knappe Zeitungsnotiz gab im April 1898 einer breiteren Neckarsulmer Öffentlichkeit die Gründung einer sozialdemokratischen Organisation bekannt. Landesvorstand Dietrich, so ist in der „Neckarsulmer Zeitung" zu lesen, hat in seinem Rechenschaftsbericht auf der Landesversammlung auf die Neugründung von Ortsvereinen hingewiesen. Darunter ist auch Neckarsulm. Die Sozialdemokratie war zu diesem Zeitpunkt bereits in Württemberg verankert. Acht Jahre vor der Gründung des hiesigen Ortsvereins stimmten 8,9 % oder 56.000 Wähler in Württemberg für die SPD. Fünf Jahre später, 1895, zogen die ersten Sozialdemokraten- in den Landtag ein. Entlang des Neckars, in Städten wie Esslingen, Stuttgart oder Heilbronn war die Sozialdemokratie schon ein politischer Faktor. Nun also auch, 1898, in Neckarsulm. Noch 1881 wird in der Oberamtsbeschreibung über Neckarsulm berichtet, dass 3/4 der Bevölkerung Weinbau betreibe. Neckarsulm war landwirtschaftlich geprägt und als Oberamtsstadt ein Verwaltungsmittelpunkt. Industrielle Unternehmungen spielten eine eher untergeordnete Rolle. Doch kaum eine Generation später war die Einwohnerzahl auf nahezu 4.000 angestiegen. Die Schiffswerft florierte, die Saline zwischen Heilbronn und Neckarsulm bot zahlreiche Arbeitsplätze und die junge Strickwarenfabrik - i. J. 1893 vergrößert und in eine Fahrradfabrik umgewandelt - hatte um die Jahrhundertwende über 400 Beschäftigte. In dieser Zeit bestanden bereits Geschäftsbeziehungen bis Moskau.

Bild: SPD-Gemeinderatsfraktion Neckarsulm (1947)

 

Die Umwandlung eines beschaulichen Landstädtchens in eine Industriestadt führte zum Zuzug zahlreicher Arbeiter. Unter denen, die nach angemessener Frist das Bürgerrecht beantragten, befanden sich auch Arbeiter aus gänzlich anderen Regionen Deutschlands, Westfalen, Norddeutsche, Leute aus Oberschwaben und dem Bodenseeraum oder aus Baden. In diesem sozialen Umfeld und in dieser Umbruchstimmung also wurde der „Sozialdemokratische Arbeiterverein Neckarsulm" gegründet. Eine entsprechende Mitteilung erhielt das „wohllöbliche Stadtschultheißenamt" am 8. April 1898. Als Vorsitzender unterzeichnete Gottlob Greiner, der allerdings mit der Familie des verstorbenen Neckarsulmer Ehrenbürgers Hermann Greiner nicht verwandt war. Wenig später erhielt der Gemeinderat Kenntnis von dieser Gründung. Der Prüfungsvorgang seitens der übergeordneten Behörden war im September des gleichen Jahres abgeschlossen. Der Verlust des Arbeitsplatzes In der Zeit des Kaiserreiches stieß die Gründung eines Arbeitervereins, der gemäß seiner Satzung ausdrücklich für „politische und wirtschaftliche" Aufklärung eintrat, bei vielen Bürgern auf tiefes Misstrauen. Auch in Neckarsulm. Und es half wenig, dass die Sozialdemokratie Württembergs ein polemisch klassenkämpferisches Auftreten vermied. Jedenfalls sah sich der hier sehr angesehene Weingärtner Heinrich Fischer gezwungen, sich gegen den Verdacht, er sympathisiere mit den Sozialdemokraten, zur Wehr zu setzen. In diesen Verdacht war er geraten, weil sein Weinbergknecht, eben jener Gottlob Greiner, der Vorsitzende des hiesigen Arbeitervereins war. Diese Tatsache stieß bei seinem Arbeitgeber auf völliges Unverständnis, war doch sein Weinbergknecht zuvor ein ordentlicher, zufriedener Mensch gewesen, der jeden Abend in seinem, Fischers Geschäft, und in seiner Familie gewesen sei und sogar 100 Mark gespart habe. Als Drahtzieher im Hintergrund wurde ein Arbeiter der Fahrradwerke, Karl Schröder aus Mainz, ausgemacht, der Gottlob Greiner vorgeschoben habe, um hier in einer Hochburg des Zentrums einen Arbeiterverein gründen zu können. Jedenfalls war die Nennung Gottlob Greiners als Ortsvereinsvorsitzender Grund genug, um ihm fristlos zu kündigen. Deshalb teilte Karl Schröder bereits am 9. Mai dem Bürgermeisteramt mit, dass Gottlob Greiner nicht mehr Vorsitzender des Vereins sei, da er weggezogen sei. Vorsitzender sei Tabler aus Heilbronn, sein Stellvertreter Karl Röhrle - ebenfalls aus Heilbronn - und er - Schröder - nur ein einfaches Mitglied. Wir erfahren weiter, dass der Ortsverein aus 17 Mitgliedern bestehe und sich regelmäßig im Nebenzimmer der Schanzenbach'schen Wirtschaft treffe. Die ersten Jahre Die Nachrichten über den Ortsverein in den ersten Jahren seines Bestehens sind spärlich. Nach einem Gedächtnisprotokoll aus dem Jahre 1958 werden für das Jahr 1904 vierzehn Mitglieder namentlich erwähnt - unter ihnen Karl Schröder als Vorstandsmitglied. Eine Mitteilung an das Bürgermeisteramt über eine Satzungsänderung wurde von Jakob Geiger unterzeichnet. Regelmäßige Aufzeichnungen über das Leben im Ortsverein haben wir erst seit dem Jahre 1908. Doch gleichgültig, wie groß der Ortsverein auch war, die staatliche Seite hatte stets ein wachsames Auge auf die Sozialdemokratie geworfen. In einer Sammlung ortspolizeilicher Vorschriften wird ausdrücklich auf die staatsgefährdenden Umtriebe der Sozialdemokratie hingewiesen und die Notwendigkeit von Sicherheitsmaßnahmen unterstrichen. In diesem sozial und wirtschaftlich schwierigen Umfeld entwickelte sich der Ortsverein. Es war ein mühseliger - oft auch frustrierender Weg. Mehr als einmal mussten Vorsitzende wie Karl Schröder oder Albert Unterrainer nach bitteren Wahlniederlagen auf kommunaler Ebene ihre resignierten Parteifreunde aufmuntern und bei entsprechendem Engagement eines jeden Parteimitglieds auf eine mit Sicherheit günstigere Zukunft verweisen. Dem Ortsverein ging es zunächst darum, die personellen und organisatorischen Voraussetzungen für seine Tätigkeit auf örtlicher wie auch überörtlicher Ebene zu schaffen. Außerdem ging es um das Erringen eines Mandats. Das erstere gelang recht gut, das Leben im Ortsverein entwickelte sich, die Mitglieder trafen sich monatlich in der Sonne, das i. J. 1908 gegründete sozialdemokratische „NeckarEcho" hatte in Neckarsulm 4 Jahre später bereits 224 Abonnenten, andere sozialdemokratische Schriften wie die „Schwäbische Tagwacht" oder der „Wahre Jakob" hatten eine interessierte Leserschaft. Ende 1909 werden 50 Mitglieder gezählt, für das Jahr 1910 mehr als 40 Neuzugänge registriert und im Jahre 1912 82 Mitglieder ausgewiesen. Bedauert wird lediglich, dass nur 30 % der organisierten Gewerkschaftler auch im sozialdemokratischen Ortsverein seien. Am 15. Februar 1913 verzeichnete der OV 156 Mitglieder, darunter 17 Frauen. Das Ringen um ein Mandat Steinig war der Weg zu einem kommunalen Mandat. Taktische Bündnisse mit anderen Partnern blieben erfolglos. Inhaltliche Arbeit auf kommunaler Ebene wurde ebensowenig honoriert wie das Engagement für die Gleichberechtigung der Frau oder für eine bessere Gesundheitsversorgung, besonders der Wöchnerinnen. Erst am 10. Dezember 1914 - der Erste Weltkrieg war bereits ausgebrochen - gelang es Albert Unterrainer, als siebter gerade noch ein Mandat - das erste des Ortsvereins - im Bürgerausschuss zu erringen. Hätte er auf die Zögerlichen und Resignierten gehört, hätte der Ortsverein keinen Kandidaten zur Wahl gestellt. Am Ort war der Ortsverein der Anwalt der kleinen Leute. Seit 1908 setzte er sich für die Einrichtung eines Konsumvereins ein, der sich schließlich im November 1910 niederlassen konnte. Preise - besonders von Grundnahrungsmitteln - wurden sorgfältig beobachtet. Diese Aufgabe wurde desto dringlicher nach dem Ausbruch des Krieges, in dessen Verlauf sich die allgemeine Versorgungslage dramatisch verschlechterte. Daher verhandelte auch im Oktober 1917 eine Delegation mit Jakob Geiger und Hermann Greiner mit dem Bürgermeister über eine Verbesserung der Lebensmittelversorgung. Die Dringlichkeit der Forderungen hatte zuvor eine Demonstration mit 1500 Teilnehmern unterstrichen. Zur Geschichte der Sozialdemokratie in Neckarsulm gehört außer der Gründung eines Ortsvereins auch die Gründung mit ihr verbundener Vereine. So konnte in Neckarsulm so etwas wie eine Arbeiterkultur entstehen. Zu diesen Vereinen zählen ein „Arbeiter - Spar - und Geselligkeitsverein", die „Lassallia", der „Freie Turnverein Neckarsulm" oder der Radsportverein „Solidarität". Eine wichtige Einrichtung gerade auch für die Arbeitnehmerschaft wurde die im Jahre 1917 gegründete „Heimstättengenossenschaft Neckarsulm", in der Sozialdemokraten von Anfang an in führender Position wirkten. Wohin steuert Deutschland? Die drohende Kriegsniederlage führte in Deutschland zu revolutionären Unruhen in deren Verlauf am 9. November 1918 der Sozialdemokrat Scheidemann die Republik ausrief. Die endgültige Entscheidung über die künftige Staatsform des Deutschen Reiches war dies indessen noch nicht. Zu groß waren die Spannungen unter den politischen Kräften - zu unterschiedlich auch die Vorstellungen über den künftigen Weg. Die Linksextremen beispielsweise strebten eine Republik nach sowjetischem Vorbild an. In einem solchermaßen krisengeschüttelten Land zogen die Neckarsulmer Arbeiter nach Heilbronn, um für die Republik, das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht, sowie für die Beseitigung aller auf Besitz und Geburt bestehenden Vorrechte zu demonstrieren. Es musste daher das größte Anliegen der Regierung Ebert sein, durch Wahlen klare Verhältnisse zu schaffen und mit den Wahlen die demokratische Legitimation für politisches Handeln zu bekommen. Das Jahr 1919 war daher ein Wahljahr. Am 12. Januar fand die Wahl zur Württembergischen Landesversammlung statt, eine Woche später die Wahl zur Deutschen Nationalversammlung und am 18. Mai die Gemeinderatswahl. Die Ergebnisse für die SPD waren gut - in Neckarsulm wurde die SPD nach dem Zentrum zur zweiten Kraft - jedoch nicht so gut, dass sie die politischen Geschicke hätte allein führen können. Sie brauchte einen Koalitionspartner - was sich als eine Schwäche erweisen sollte. Die gespaltene Sozialdemokratie auf dem Weg zur Vereinigung Bei den Gemeinderatswahlen erreichte das „Kartell der vereinigten Gewerkschaften" 5 Mandate. Hinter diesem Sammelbegriff verbargen sich die Kandidaten der Mehrheits-SPD (MSPD) und die dem radikaleren Flügel der Sozialdemokratie angehörenden Kandidaten der Unabhängigen SPD (USPD). Wegen mehrerer Einsprüche musste die Wahl wiederholt werden - ohne Veränderung für die sozialdemokratischen Mandate. Die 5 Sozialdemokratischen Gemeinderatskandidaten waren (in der Reihenfolge ihre Stimmen): Jakob Geiger, Hermann Greiner, Christian Rieker, Paul Vogt und Albert Unterrainer. Die gewählten Vertreter der Sozialdemokratie gingen mit Schwung und dem Mut zu Neuerungen an ihre Aufgabe heran. Sie setzten sich für eine Sitzordnung in Fraktionen ein - von den bürgerlichen Parteien heftig attackiert - und stellten damit die trotz aller Unterschiede bestehenden Gemeinsamkeiten der beiden sozialdemokratischen Parteien in den Vordergrund. Im Gemeinderat vertraten sie sozialdemokratische Themen: Baukostenzuschüsse an die Arbeitnehmerschaft, unentgeltlicher Besuch der Latein- und Realschule für Arbeiterkinder, Verbot einer Einwohnerwehr, da diese nur den Militarismus fördere, Zulassung des „Neckar-Echo" als Amtsblatt in Neckarsulm. Die beiden sozialdemokratischen Parteien hatten je knapp 50 Mitglieder und damit insgesamt weniger Mitglieder als die vor dem Ersten Weltkrieg noch geeinte Partei. Das Wahldebakel der SPD i. J. 1920 führte schließlich 1922 wieder zum Zusammenschluss der MSPD und der noch verbliebenen USPD, die zahlreichen Mitglieder an die radikale kommunistische Partei verloren hatte. In Neckarsulm wurde der Reinigungsprozess im August 1922 eingeleitet und am 22. Oktober erfolgreich abgeschlossen. Als Vorsitzender der MSPD hatte Hermann Greiner die Sprecher der USPD, Christian Rieker und Albert Unterrainer, zu diesen entscheidenden Gesprächen eingeladen. Am Ende der Versammlung war die Rede von einem „freudigen Mitarbeiten zum Wohl der Arbeiterschaft". In der Folgezeit bemühte sich der vereinigte Ortsverein, seine Mitgliederzahl zu erhöhen. Aus dem Protokollbuch des Ortsvereins ergeben sich für die Zeit von 1924 bis 1928 teilweise erhebliche Schwankungen des Mitgliederstandes. Nach den uns vorliegenden Berichten scheint allerdings das Jahr 1927 besonders erfolgreich gewesen zu sein, denn am 14. Januar wurden 309 Mitglieder ausgewiesen - 211 Männer und 98 Frauen. Mit der hohen Zahl weiblicher Mitglieder steht der Ortsverein an führender Stelle in Württemberg. Entsprechend der Bedeutung des Ortsvereins kam der damalige Ortsvereinsvorsitzende Christian Rieker in den erweiterten Landesvorstand.

Der Mitgliederzuwachs - besonders bei den Frauen - hatte mehrere Gründe: die politische Arbeit der SPD insgesamt - besonders für die Arbeiterschaft -, spezielle Angebote und Vorträge für die Frauen, intensive Mitgliederwerbung, die Tätigkeit des dem Ortsverein angegliederten Wohlfahrtsausschusses und der AWO mit ihrem Vorsitzenden Christian Rieker, die Jugendarbeit, die zu einer eigenen Jugendorganisation, der SAJ, führte, sowie das intensive Gemeinschaftsleben im Ortsverein, wozu auch Freizeiten zu zählen sind. Jedenfalls konnte die SPD in Neckarsulm, als sie im November 1928 der 50. Wiederkehr der unheilvollen Sozialistengesetze Bismarcks gedachte, an die staatstragende Rolle der SPD im Reich erinnern und hier am Ort an die Verankerung in der Gemeindepolitik. Folgende Gemeinderäte stellte die SPD in der Weimarer Republik: Jakob Geiger, Hermann Greiner, Christian Rieker von 1919 bis 31. 3. 1933. Zu diesen langgedienten Mandatsträgern kamen noch Paul Vogt (1919 - 1923), Albert Unterrainer (1919 - 1928), Peter Häberle (1922 - 1928), Fritz Bergmann (1928 - 31. 3. 1933), Heinrich Bauer (1931 - 31. 3. 1933) und Bernhard Burkhard (1928 - 31. 3. 1933). Die Krise der Weimarer Republik Mit der Weltwirtschaftskrise und der bei uns sich zur Katastrophe entwickelnden Massenarbeitslosigkeit, der zunehmenden politischen Instabilität und Radikalisierung in der politischen Auseinandersetzung - auch Neckarsulm blieb davon nicht verschont - verwandelte sich erst allmählich, dann immer dramatischer, die politische Situation in Deutschland. Die Johannes Rau in Amorbach, 1984 demokratischen Kräfte verloren an Vertrauen und Einfluss, die radikalen Kräfte, besonders die Nationalsozialisten, gewannen an Unterstützung - auch - oder gerade? - weil sie mit ihren Aufmärschen und paramilitärischen Organisationen besonders dem Bürgertum Stärke und Ordnung suggerierten. Großangelegte Kampagnen der SPD gegen die Nationalsozialisten und Demonstrationen-zusammen mit dem „Reichsbanner Schwarz - Rot - Gold" verloren zunehmend - auch in Neckarsulm - in der Bevölkerung an Rückhalt. Die seit dem Jahre 1928 durchgeführten Wahlen veranschaulichen deutlich die Wählerwanderung - hin zur NSDAP. Die Nationalsozialisten kamen von gerade 17 Stimmen in Neckarsulm noch i. J. 1928 binnen fünf Jahren, am 5. März 1933, auf 966 Stimmen. Ermöglicht wurde dies, weil allzuviele Menschen - auch aus der Arbeiterschaft - sich enttäuscht und von Arbeitslosigkeit heimgesucht, von der Demokratie abgewandt hatten und ihr Vertrauen auf Hitler setzten. Die SPD in der Zeit des Nationalsozialismus Eine demokratische Wahl war dies indessen nicht mehr. Hitler war am 30. Januar 1933 von dem greisen Reichspräsidenten Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden. Systematisch ging er nun gegen die Demokratie und ihre Einrichtungen vor. Die nach dem Reichstagsbrand erlassene Verordnung zum „Schutz von Volk und Staat" führte zu Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts auf freie Meinungsäußerung, der Pressefreiheit, Einschränkungen im Vereins- und Versammlungsrecht, zu Eingriffen in das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis, sowie in das Eigentumsrecht. Haussuchungen und Beschlagnahmungen waren außerhalb des gesetzlichen Rahmens möglich. Kaum einen Monat später, am 23. März 1933, wurde das Parlament durch das sog. Ermächtigungsgesetz als demokratische Institution entmachtet. Der Sozialdemokrat Otto Welz und die SPD wandten sich leidenschaftlich gegen die Gesetzesvorlage der Nationalsozialisten - vergeblich. Zu dieser Parlamentssitzung waren die Kommunisten schon gar nicht mehr zugelassen, kritische Abgeordnete bereits in Schutzhaft. Im Neckarsulmer Gemeinderat kam es schon am 9. März zu einer Machtprobe mit den Nationalsozialisten und ihrem Ratsmitglied Anderssen, der auf dem Rathausdach die Hakenkreuzfahne und auf der Rathaustreppe eine Fahne in den alten Farben aufziehen lassen wollte. Trotz der Ablehnung durch den Gemeinderat setzten sich die Nationalsozialisten durch. Es erfolgte wenig später die Auflösung des Gemeinderates und die Neubildung auf der Grundlage des Reichstagswahlergebnisses. Die SPD erhielt 3 Sitze, obwohl sie bei der Reichstagswahl in Neckarsulm mehr Stimmen als die NSDAP erzielt hatte. Der gemeinsame Wahlvorschlag der NSDAP mit anderen Gruppierungen zusammen erhielt 5 Gemeinderatsmandate. In den Ausschüssen wurden die sozialdemokratischen Gemeinderäte schon gar nicht mehr berücksichtigt. Am 27. Juni 1933 erfolgte dann der offizielle Ausschluss der SPD Gemeinderäte Hermann Greiner, Christian Rieker und Heinrich Bauer durch die neuen Machthaber, da die Partei fünf Tage zuvor im Zuge der Gleichschaltung verboten worden war. Diese Gemeinderäte waren auf einer Mitgliederversammlung des Ortsvereins zuvor im Genossenschaftsheim unter polizeilicher Überwachung nominiert worden. Eingefunden hatten sich 48 Mitglieder. Im Verlauf der Sitzung gedachte Rieker des in das Konzentrationslager Heuberg eingelieferten Hans Banzhaf und wünschte ihm im Namen der Versammlung eine baldige Rückkehr zu seiner Familie.

Bild: Genossenschaftsheim Neckarsulm in der abschließenden Bauphase

Schon unmittelbar vor der Wahl am 5. März gingen die neuen Machthaber rücksichtslos daran, -ihre Macht zu festigen. Es existiert eine Liste mit 89 Personen aus Neckarsulm und Umgebung, die bereits in der ersten Hälfte des Monats März festgenommen und auf den Heuberg gebracht wurden. Auf der Liste befanden sich Sozialdemokraten, Kommunisten, Mitglieder des Reichsbanners, Angehörige der Zentrumspartei oder andere den Nazis missliebige Personen. Die ersten Verhaftungen wurden bereits am 11. März 1933 - 6 Tage nach dem Wahlsieg der NSDAP, vorgenommen. Von der Neckarsulmer SPD sind 9 Namen verzeichnet: Hans Banzhaf, Friedrich Bergmann, Hermann Greiner, Wilhelm Ihlein, Georg Pitsch, Willi Röhrle, Fritz Stadler (Reichsbanner), Fritz Baumhauer, Hans Kreuzer. Es spricht für den Zusammenhalt der SPD in Neckarsulm, dass sie trotz des Druckes durch die Nationalsozialisten beim Nominierungsverfahren für den Gemeinderat dem inhaftierten Hans Banzhaf und dem eben erst aus dem Konzentrationslager entlassenen Hermann Greiner ihr Vertrauen ausgesprochen hat. Ein Beispiel- für den Zynismus der Nationalsozialisten ist die Zahlungsaufforderung an Hermann Greiner wegen der durch seine Schutzhaft entstandenen Kosten. Im Zuge der Gleichschaltung wurden sämtliche der SPD nahestehenden Einrichtungen und Vereine verboten oder in nationalsozialistische Organisationen übergeführt wie z. B. die Heimstättengenossenschaft. Dennoch sang die „Lassallia" bei der Beerdigung ihres Mitgliedes Jakob Geiger auf dem Heilbronner Friedhof. Trotz fast lückenloser Überwachung durch die Gestapo, Einschüchterung und Rufmord, wie es Hermann Greiner im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Heimstättengenossenschaft erleben musste, gab es eine illegale politische Arbeit der SPD in Neckarsulm und Heilbronn. Entsprechende Augenzeugenberichte wurden dem Stadtarchiv in Heilbronn hinterlegt. Eine Gruppe wurde -von Hermann Gerstlauer in den 30er Jahren regelmäßig mit illegalem schriftlichen Material versorgt. Im Jahre 1938 wurde er wegen Lesens von verbotenem Schrifttum zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 erfolgte eine großangelegte Verhaftungswelle. Zu ihren Opfern gehörte Hermann Greiner, der bis September 1944 im Konzentrationslager Dachau inhaftiert war. Mitte November wurden die Sozialdemokraten Otto und Willi Nier und Karl Knapp in das Arbeitslager Leimbach/Südharz eingeliefert und waren dort bis April 1945. Der Neubeginn Das Kriegsende war für die Deutschen ein bitteres Erwachen aus einem Alptraum: zerbombte Städte, Hunger, Not allenthalben, Flüchtlinge, die unterzubringen waren, zerrissene Familien, Verzweiflung. Und dennoch musste das Leben irgendwie weitergehen und sich organisieren. Das Ziel der Amerikaner war es, ohne direkt an politische Parteien zu denken, Personen in die provisorischen Verwaltungen einzusetzen, deren Vergangenheit als nicht belastete Personen eine „antinazistische" kommunale Verwaltung erlauben. Daher wurde Hermann Greiner vom Landrat nach der Besetzung der Stadt durch die Amerikaner zum stellvertretenden Bürgermeister bestellt, eine Funktion, die er wenig später noch einmal bekleiden sollte. Bereits am 19. Juni 1945 wurde dem Bürgermeister ein beratendes Gremium zur Seite gestellt, dem mit Christian Rieker, Hans Banzhaf, Karl Schlag und Ludwig Baur vier Sozialdemokraten angehörten. Bei der nachfolgenden Neubildung dieses Gremiums waren es noch drei. Es mag sein, dass die SPD sich für die erste Gemeinderatswahl am 27. Januar 1946 einiges versprochen hat. Sie hatte in der unmittelbaren Nachkriegszeit Verantwortung übernommen. Mitkonkurrenten waren die Kommunistische Partei und die Christlich Soziale Volkspartei, die sich der Kandidatenliste zufolge als eine bürgerliche, dem unternehmerischen Mittelstand verpflichtete und religiös gebundene Partei auswies. Für die SPD verliefen diese Wahlen nicht so erfolgreich wie erhofft. Der Linksruck in der Bevölkerung war ausgeblieben. Mit 8 Mandaten musste man sich zufrieden geben - gegenüber 10 der Christlich Sozialen Union. Bei den Wahlen im Dezember 1947 waren es nur noch sechs. Erfolgreich war die Wahl zum Kreistag mit Hermann Greiner und Wilhelm Gutmann als Gewählte. Hermann Greiner gehörte dem ersten Landtag, der nach der nationalsozialistischen Herrschaft gewählt worden war, bis 1950 an. Zuvor war Christian Rieker in die vorläufige Volksversammlung berufen worden. Die SPD hatte versucht, das Parteileben im Heilbronner Raum bereits in der Endphase des Zweiten Weltkrieges wieder zu aktivieren. Nach Aussage von Heini Großhans, Heilbronn, fand eine erste Kontaktaufnahme mit Christian Rieker in der Werkstatt des Heilbronner Konsums bereits am 28. April 1945 statt - lange vor der Genehmigung politischer Parteien auf Kreisebene durch die Amerikaner.' Bei den nachfolgenden Gesprächen waren zunächst auch Kommunisten zugegen. Doch musste ihre Vorstellung von einer Einheitsfront zwangsläufig zu einer Trennung führen. Gegen Ende Mai 1945 erfolgt die Wiedergründung des Ortsvereins, für den Kreis wird am 1. Juni 1945 ein Parteisekretariat mit Sitz in Heilbronn eingerichtet. Für die Neckarsulmer SPD ging es nun darum, schnellstmöglich die der Sozialdemokratie nahestehenden Vereine und Organisationen zu beleben, damit die Arbeiterschaft auch im Bereich des Sports, des Gesangs oder in der Gewerkschaftsbewegung wieder eine Heimat hat. Der Gesangverein „Lassallia" entstand neu. Die einstigen verschiedenen Arbeitersportvereine wurden in dem Großverein „Sportvereinigung" zusammengefasst. Ihr erster Vorsitzender wurde Christian Rieker. Der Ortsverein in der zweiten Republik Die Entwicklung der SPD auf Bundes- bzw. Landesebene verlief unterschiedlich. Der vielfach gehegte Wunsch einer Parlamentsmehrheit auf Bundesebene wurde lange nicht erfüllt. In Württemberg-Baden errang die SPD mit 33 % der Stimmen die Mehrheit, die Allparteienregierung wurde durch eine sozial-liberale Koalition abgelöst. Im dann neugebildeten Südweststaat blieb die SPD bis 1960 Regierungspartei. In Neckarsulm selbst hatte sich die Wende zu einer bürgerlich-konservativen Grundhaltung bereits bei der Wahl am 27. Januar 1946 angekündigt und bei der nachfolgenden Landtagswahl 1946 fortgesetzt - trotz Hermann Greiner. Doch ein für alle Mal waren diese Wahlergebnisse nicht festgeschrieben. Im Jahre 1950 erzielte die SPD ein besseres Ergebnis als die CDU und Armin Bodechtel konnte das Landtagsmandat erringen. Später schaffte dies Pfarrer Walter Gress.

Der Ortsverein hatte in der Zwischenzeit unter seinem Ortsvereinsvorsitzenden Christian Rieker, der die Partei von 1924 - 1960 führte, eine solide Aufbauarbeit geleistet. Sein Engagement wurde von seinem Sohn Alwin Rieker fortgeführt. Ihm folgten in dieser Funktion nach: Kurt Bauer, Roland Stammler und Heiko Weiss. Zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hatte der OV bereits 259 Mitglieder und stieg bis zum Jahre 1959 auf 307 Mitglieder. Neben der intensiven Werbung führte wohl auch die enge Verbindung zu den Gewerkschaften zu diesem Ergebnis. Engagierte Gewerkschafter und Sozialdemokraten waren Männer wie Hans Banzhaf, Hermann Gerstlauer und Karl Walz. Leider hat der Ortsverein zum 100-jährigen Jubiläum diesen hohen Mitgliederstand nicht halten können. Es sind sicher viele Gründe, die dazu geführt haben - nicht zuletzt auch das von allen politischen Parteien beklagte schwindende Vertrauen gerade der jüngeren Generation gegenüber den Parteien. Mit knapp 200 Mitgliedern zählt der Ortsverein nach wie vor zu den großen in Baden-Württemberg. Im politischen Leben unserer Stadt ist die SPD ein wichtiger Faktor. Bei Wahlen sah und sieht sie sich dem bürgerlichen Block aus CDU und Freien Wählern gegenüber. Ein besonderer Erfolg für die SPD waren die Gemeinderatswahlen im Jahre 1956, als die SPD deutlich vor der CDU lag und Alwin Rieker auch noch das beste Einzelergebnis erzielte. Dies gelang nach ihm noch der Stadträtin Inge Henning im Jahre 1994. Dennoch blieb eine SPD-Rathausmehrheit in Neckarsulm wie 1962 die Ausnahme. Andere Kriterien gelten offensichtlich für die Wahl des Bürgermeisters. Es scheint, daß hier weniger die Parteizugehörigkeit als vielmehr die Persönlichkeit gefragt ist. Im Jahre 1955 wurde der damalige SPD-Kandidat Dr. Hoffmann gewählt. Sein Nachfolger wurde 1967 der Sozialdemokrat Dr. Erhard Klotz, der dieses Amt bis zum Jahre 1992 inne hatte. Wegen seiner Verdienste um die Stadt wurde er mit der Würde eines Ehrenbürgers ausgezeichnet. In seine Aera fallen so markante und die Stadt prägenden Bauwerke wie die Ballei, die Jugendmusikschule, das Aquatoll, die Gestaltung des Rathausplatzes mit dem Erweiterungsbau des Rathauses oder die Umgestaltung des weithin bekannten Zweiradmuseums, um nur einige Beispiele zu nennen. Neckarsulm entwickelte sich zu einer Großen Kreisstadt und zu einem bedeutenden Industriestandort, der Tausenden von Menschen auch aus der Region Arbeit und den Einwohnern die für das schulische, soziale und kulturelle Leben notwendigen Einrichtungen bietet.

Bild: Johannes Rau in Neckarsulm-Amorbach, 1984

Wie anfällig gerade die in früheren Zeiten noch stärker als heute von einer industriellen Monostruktur geprägte Stadt ist, zeigte die Krise um das AUDI Werk im Jahre 1975. Im Januar konnte man den Zeitungen entnehmen, dass die Zukunft des AUDI-NSU Werkes ungewiss sei und eine Studie bestünde, die auch eine völlige Stilllegung des Automobilwerkes nicht ausschließe. Über Monate hinweg war die Bevölkerung in Neckarsulm in Angst, Teilinformationen schienen auf die Schließung des Werkes mit dem Verlust von 10.200 Arbeitsplätzen vorzubereiten. Daher entschlossen sich OB Dr. Klotz und der SPD-Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, Dr. Erhard Eppler, den amtierenden Bundeskanzler Helmut Schmidt aufzufordern, seinen Einfluss geltend zu machen, um angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten wenigstens ein Höchstmaß an Arbeitsplätzen zu sichern. Diese Initiativen wurden gleichfalls von den Fraktionssprechern der Gemeinderatsfraktionen unterstützt. Für die SPD war dies Alwin Rieker. In Interviews und zahlreichen Gesprächen mit wirtschaftlich und politisch Verantwortlichen im Land und Bund kämpfte der Oberbürgermeister für den Erhalt des Werkes. Die Beschäftigten selbst demonstrierten zu Tausenden für dieses Ziel. Am 15. April war die Entscheidung gefallen: AUDINSU wird nahezu halbiert - ein Beschluss, mit dem die versammelte Arbeiterschaft sich nicht abfinden konnte. Nach 100 Jahren hat der Ortsverein der SPD seinen festen Platz im politischen Leben der Stadt. Mit ihren Vertretern im Gemeinderat hat sie bei der Stadtentwicklung wichtige Akzente gesetzt. Überörtlich wirken ihre Vertreter im Kreisrat mit. Herausragende Sozialdemokraten haben sich zu Wahlveranstaltungen, Jubiläen oder politischen Gesprächen hier eingefunden. Zu ihnen zählen der frühere Bundeskanzler Willy Brandt, der einstige Landes - und Fraktionsvorsitzende Ulrich Lang, der Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, Johannes Rau, der i. J. 1984 nach Amorbach gekommen war, oder Hans Jochen Vogel. Es war ein langer Weg, bis die SPD Anerkennung gefunden hat; für viele ein schmerzlicher. Und manch einer musste für seine Überzeugung Verfolgung und Konzentrationslager auf sich nehmen. Heute gibt es in Neckarsulm einen Anna-Beckert-Weg, eine Christian-Rieker-Straße und eine Hermann-Greiner Realschule. Zwei Sozialdemokraten erhielten die Ehrenbürgerwürde. Mit diesen Zeichen drückte die Stadt Neckarsulm ihre Anerkennung für deren Leistung und die praktizierte Solidarität aus.

Bild: SPD-Kandidaten zur Kommunalwahl 1999

Hundert Jahre Geschichte lenken den Blick zurück zu den Anfängen. Sie zeigen den Mut so vieler Männer und Frauen, die für ihre Überzeugungen eingetreten sind - auch unter persönlichen Opfern. Sie schärfen aber auch den Blick für die Zukunft. Für die Sozialdemokratie geht es weiterhin um die grundsätzliche Beziehung zwischen Kapital und menschlicher Arbeitskraft, um die Stellung des Einzelnen in einem durch Einsatz modernster Technologien sich vielfach zu Lasten des Arbeitnehmers entwickelnden Wirtschaftsprozess, um Solidarität und Gerechtigkeit in der Gesellschaft. 'Dieter Herlan'

 

 

 

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